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Die Rezeptoren des Auges – Zapfen und Stäbchen

Die Anatomie des Auges wurde bereits in einem anderen Beitrag vorgestellt. Jetzt schauen wir uns die Netzhaut des Auges, ihre Rezeptoren und deren Eigenschaften mit Blick auf unsere Wahrnehmung und den Sehprozess genauer an.


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Zapfen und Stäbchen – Tag- und Nachtsehen

Die Retina, die Netzhaut des Auges, ist der Ausgangspunkt für unser Sehen. Sie ist im Prinzip der Sensor unseres Auges und besitzt verschiedene Sinnes- und Nervenzellen. Es gibt zwei verschiedene Arten von Sinneszellen (Rezeptoren), die für den Sehprozess relevant sind: die Stäbchen und die Zapfen. Darüber hinaus wurden in den 1980er Jahren Ganglienzellen mit eigenen lichtempfindlichen Pigmenten entdeckt. Eigentlich sind diese Nervenzellen für die Verschaltung und Weiterleitung der Rezeptorsignale zuständig. Offensichtlich sind diese besonderen Zelltypen, zusammen mit speziellen Zapfen-Typen, an der Steuerung unseres Tag-Nachtrhythmus (circadianer Rhythmus) beteiligt (vgl. [1], S. 93). Zurück zu den Rezeptoren für den Sehprozess.
Schauen wir uns die Anzahl der Rezeptoren des Auges an, so gibt deutlich mehr Stäbchen als Zapfen. Wir besitzen zwischen 90 und 125 Mio Stäbchen und ca. 4,5 bis 6 Mio Zapfen (vgl. [1], S. 71; [2], S. 11). Die Stäbchen sind empfindlicher und reagieren schon auf schwache Lichtreize, daher sind sie für unser Nachtsehen (skotopisches Sehen) verantwortlich. Sie reagieren bereits bei einer Leuchtdichte von 30^-6 cd/m², was etwa einer bewölkten Neumondnacht entspricht (vgl. [3], S. 102). Ab ca. 0,01cd/m², etwa der Leuchtdichte bei einer klaren Vollmond-Nacht, beginnen auch die Zapfen auf Reize zu reagieren. Bis zu einer Leuchtdichte von etwa 30cd/m² sind dann beide Rezeptorarten aktiv. Dieser Übergangsbereich wird Dämmerungssehen (mesopisches Sehen) genannt. Erst über 30cd/m² hinaus tragen allein die Signale der Zapfen zum Sehprozess bei und man spricht vom Tagsehen (photopisches Sehen) (vgl. [1], S. 21).

Adaptation der Rezeptoren auf Umgebungshelligkeit

Damit die Rezeptoren des Auges auf die genannten Leuchtdichten reagieren können, ist eine vorherige Adaptation an die Umgebungsleuchtdichte nötig. Das bedeutet, dass sich die Rezeptoren an die Dunkelheit „gewöhnen“ bzw. anpassen müssen.
Geht man von einem hellerleuchteten in einen dunklen Raum, kann man zunächst nichts sehen. Erst nach einer Weile sieht man beispielsweise die Möbel oder andere Gegenstände im Raum. Man spricht hier von Dunkeladaptation. Andersherum aber genauso, wenn man nach dem Aufwachen das Licht einschaltet und die Augen zukneifen muss, weil man geblendet ist. Nach einem kurzen Moment können wir aber ohne Probleme sehen. Die Helladaptation ist abgeschlossen.

Verschiedene Prozesse wirken bei der Adaptation zusammen, der Durchmesser der Pupille ändert sich, um mehr oder weniger Licht ins Auge zu lassen. Diese Änderung kann jedoch nur einen kleinen Teil der notwendigen Anpassung abdecken. Der weitaus wichtigere Schritt ist der Übergang von den Zapfen zu den Stäbchen, der zudem mit chemischen und neuronalen Prozessen / Anpassungen verbunden ist. Zur Erinnerung: Wie im Beitrag Die Rezeptoren des Auges gezeigt, sind die Rezeptoren auf Grund des Aufbaus der Retina überdeckt von Nervenzellen. Dafür liegen sie aber nah an der Aderhaut. Die notwendigen Nähr- und anfallenden Abbaustoffe aus den chemischen Veränderungen bei dem Adaptationsprozess können so unmittelbar zu- und abgeführt werden.
Die verschiedenen Prozesse laufen bei der Dunkeladaptation deutlich langsamer ab als bei der Helladaptation. Während man bereits nach wenigen Sekunden in den Helladaptationszustand kommt, kann es bei der Dunkeladaptation bis zu 30 Minuten dauern (vgl. [1], S. 74-75, [2] S. 50-51, [4] S. 52ff).  

Wahrnehmung von Helligkeit und Farbe

Neben den unterschiedlichen Helligkeiten bzw. Leuchtdichten, die von den Zapfen und Stäbchen wahrgenommen werden können, sind auch die Wellenlängenbereiche, auf die die Rezeptoren des Auges reagieren, unterschiedlich. Die Darstellung in Abbildung 1 zeigt die spektrale Hellempfindlichkeitsfunktion der Stäbchen V'(λ) und der Zapfen V(λ) (vgl. [1], S. 20). Es ist deutlich zu erkennen, dass die Form der Kurven sehr ähnlich ist, aber die Wellenlängenbereiche, die sie abdecken sind unterschiedlich. Die maximale Empfindlichkeit der Stäbchen liegt bei 507nm, die der Zapfen bei 555nm. Das bedeutet, dass die Stäbchen auf einen Lichtreiz bei bspw. 460nm stärker reagieren als die Zapfen. Allerdings nur relativ, denn wie wir schon gehört haben, sind ja die absoluten Empfindlichkeiten der Rezeptoren stark unterschiedlich!

Netzhaut des Auges - Spektrale Hellempfindlichkeit
Abbildung 1: Spektrale Hellempfindlichkeit der Zapfen (V(λ)) und Stäbchen (V'(λ))
des menschlichen Auges.

Und da ist noch ein weiterer wesentlicher Unterschied der Rezeptoren. Stellen wir uns noch einmal den Lichtreiz bei 460nm vor. Am Tag würden wir diesen als blau wahrnehmen, nachts aber einfach als grau (natürlich wieder bei entsprechender Helligkeitsanpassung des Lichtreizes). Warum? Weil wir drei verschiedene Arten von Zapfen, aber nur eine Art von Stäbchen besitzen. Die V(λ) Kurve in Abbildung 1 beschreibt nur die Hellempfindlichkeit, die sich aus der Reaktion aller drei Zapfenarten zusammen ergibt. Betrachtet man die Empfindlichkeit der einzelnen Zapfen ergeben sich die Kurven in Abbildung 2.

Typischerweise bezeichnet man die unterschiedlichen Zapfen als S-, M- und L-Zapfen, was für Short, Middle und Long entsprechend der Wellenlängenbereiche steht, auf die sie reagieren. S-Zapfen reagieren damit stärker auf blaues, M-Zapfen auf grünes und L-Zapfen auf gelb-rotes Licht. In manchen Publikationen findet man aber auch die Bezeichnungen T-, D- und P-Zapfen, die sich aus den Zusammenhängen des Fehlens von Zapfenarten und den Farbfehlsichtigkeiten Tritantopie (S-Zapfen fehlt), Deuteranopie (M-Zapfen fehlt) und Protanopie (L-Zapfen fehlt) entwickelt haben.

Mehr zum Thema Farbsehen gibt es bald in einem weiteren Beitrag.

Netzhaut des Auges - Spektrale Hellempfindlichkeit der Zapfen
Abbildung 2: Spektrale Hellempfindlichkeit der unterschiedlichen Zapfentypen im menschlichen Auge.

Die Young-Helmholtz Theorie des Farbensehens

Die drei Zapfenarten ermöglichen es uns Menschen eine Vielzahl von Farben unterscheiden zu können. Voraussetzung dafür ist nach der Theorie von den Wissenschaftlern Young und Helmholtz, dass die drei Zapfenarten auf unterschiedliche Wellenlängenbereiche reagieren, wobei man in Bild 2 sieht, dass es durchaus Überlappungen gibt.

Entsprechend der Theorie reizt Licht einer bestimmten Wellenlänge alle Zapfen unterschiedlich stark. Das bedeutet, dass die Zapfen unterschiedlich starke Signale aussenden und diese eine bestimmte Farbempfindung hervorrufen. Demnach erzeugt jede Wellenlänge ein ganz bestimmtes Reizmuster und codiert damit eine bestimmte Farbempfindung (vgl. [4], S. 207).

Quellen und weiterführende Literatur

[1] Baer, Barfuß, Seifert: Beleuchtungstechnik. 4. Aufl. HUSS-Medien GmbH, Berlin, 2016.

[2] Hentschel: Licht und Beleuchtung. 5. Aufl. Hüthig, Heidelberg, 2002

[3] Wittig: Licht. Sehen. Gestalten. Birkhäuser Verlag GmbH, Basel, 2014.

[4] Goldstein: Sensation and Perception. 8th Ed., Wadsworth, Belmont, 2010

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